Interview mit dem Fotografen Hannes P. Albert zur Ausstellung "Polymorphia: War Photography. War as usual" – Registratur

Was Christoph Kürbel und Hannes P. Albert von ihrer Ukraine-Reise mitbrachten, war nicht nur eine persönliche und unverfälschte Einschätzung der dortigen Lage und der Dimension des ukrainisch-russischen Konflikts, sondern auch viele visuelle Eindrücke in Form von Fotografien. Daraus entstand die von Downstairs organisierte Ausstellung „Polymorphia: War Photography. War as usual“ im Obergeschoss der Registratur, die vom 16.-19.04. zu sehen ist. Wir haben uns mit dem Fotografen Hannes P. Albert getroffen und mit ihm über die Ausstellung, die Arbeit als Krisenfotograf und seine Erfahrungen aus dem Leben in einem umkämpften Gebiet gesprochen.

Öffnungszeiten: Vernissage: Do, 16.4. ab 17.30 Uhr, Fr/Sa/So ab 21.00 Uhr
Eintritt frei

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Wieso bist du in erster Linie in die Ukraine gefahren?

Das war im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit, die sehr spontan zustande kam. Erst hatte ich vor Obdachlose in Berlin zu begleiten, was aber an den entsprechenden Einrichtungen gescheitert ist. Plötzlich rief mich ein Freund an und fragte, ob ich Lust hätte in die Ukraine zu fahren. Der war bereits dort und hat mit ein paar Kollegen zusammengearbeitet, die wir 2013 auf dem Maidan kennen gelernt hatten. Dann ging alles sehr schnell und die Reise habe ich dann innerhalb von 2 1/2 Wochen geplant.

Hat bei deinen vorherigen Zielen hat auch dein Fotografie-Studium eine Rolle gespielt?

Der Studiengang war recht breit aufgestellt und es gab wenig Spezialisierungen. Es war so ausgelegt, dass du einen Dokumentarkurs nicht zwei mal belegen konntest und stattdessen Mode oder Werbung usw. machen musstest. Ich habe dann aber trotzdem in alle Kurse versucht meine Projekte einzubringen und beispielsweise im Portrait-Kurs meine Portaits aus Syrien gezeigt.

Wie bist du zur Fotografie gekommen, speziell zur dokumentarischen Fotografie?

Wirklich angefangen zu fotografieren habe ich erst Anfang 2010. Ich habe davor mal eine Aufnahme aus Afghanistan von einem Reuters-Fotografen gesehen, die mich ziemlich beeindruckt hat. Außerdem habe ich mich schon länger für Militärhistorie interessiert, was dann in der Kombination der Auslöser war, mir eine Spiegelreflex zu kaufen und selber anzufangen zu knipsen. Ein Jahr später habe ich mich dann an der Uni für Fotografie eingeschrieben. Nach einer Reise in Indien war ich dann komplett überzeugt, dass ich in Richtung sozialkritischer Dokumentarfotografie gehen will, die ich bis heute verfolge.

Wie kam deine erste Reise nach Syrien zustande?

Die erste Reise ging per Zufall nach Syrien. Ich war in Kilis in der Türkei unterwegs, was etwa 20 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt ist und hatte nur ein Hotel gebucht, mehr nicht. Am zweiten Tag stand dann Sami vor mir, der sich als Medienbeauftragter der Rebellen vorstellte. Mit ihm bin ich in zwei französische Journalisten reingestolpert, die erzählten, dass sie am nächsten Tag rüberfahren würden und schon mehrmals vor Ort gewesen seien. Das war dann gewissermaßen die Chance für mich, mich ihnen anzuschließen und nach Syrien zu kommen.

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Waren deine späteren Reisen auch so vom Zufall begleitet?

Gezi-Park und die Maidan-Bewegung habe ich mir bewusst ausgesucht, die Riots also, die Kriegsdokumentation ist eher spontan dazugekommen. Es ist natürlich auch nicht ganz ohne. Es gab in der Ukraine einen Moment, wo wir nur mit Glück heil davongekommen sind, als eine Mörserbombe nur dreißig Meter neben uns gelandet ist. Das kam vollkommen unerwartet an einer Wasserstelle mit Zivilisten. So etwas gibt einem dann schon sehr zu denken und seit diesem Erlebnis bin ich auch ein wenig davon weg, dass ich ohne Plan irgendwo hinfahren würde.

Welche Sicherheitsvorkehrungen triffst du im Vorfeld?

Ich trage eine Panzerweste und einen Schutzhelm, mehr gibt es eigentlich nicht. Vorneweg musst du sehr viel wissen zur Situation im Land und hast zur Unterstützung auch einen Dolmetscher bzw. Schleuser dabei, der weiß, wie man sich verhält und wo man hinmuss. Bisher waren meine Projekte ja immer Low-Budget, aber in Zukunft würde ich mir eher jemanden Professionellen beauftragen, dem ich auch 150 € am Tag gebe, der sich dafür aber auskennt und weiß, wann ich zum Beispiel meine Schutzweste anziehen muss.

Wie garantierst du deine Position als neutraler Beobachter in einem asymmetrischen Krieg?

Zu dem Zeitpunkt als ich in der Ukraine war, war es noch nicht so heikel. Aber ich habe schon in den 3 1/2 Wochen, in denen ich dort war, bemerkt, dass die Presse, egal auf welcher Seite sie steht, von der anderen Seite beschossen wird. In der Ukraine ist eben auch ein Medienkrieg entstanden: der Westen erzählt A und die russischen Medien B und du musst dann als Rezipient selber erschließen, welche Wahrheit man annimmt.
Es war nicht gerade einfach die Balance zu finden, aber am Schluss muss man sich für eine Seite entscheiden, die man mit seiner Kamera begleitet und Vertrauen aufbauen, denn das sind am Ende die Jungs, die einen schützen. Ich informiere mich im Vorfeld wahnsinnig viel und schaue mir immer beide Seiten der medialen Berichtserstattung an. Klar, habe ich nicht eine Trefferquote von 100 %, aber habe schon ein Gespür, wer was und wieso erzählt und welche Interessen dahinter stehen. Schlussendlich vertrete ich mit meiner Arbeit absolut keinen politischen Standpunkt.

Das ist wahrscheinlich auch der Vorteil, den du aus deiner freien Tätigkeit als Fotograf ziehst?

Ja, mit einem Auftraggeber bedienst du möglicherweise bestimmte Erwartungen an das Endergebnis. Mein Ziel ist es immer aus eigenen Interesse Orte zu dokumentieren. Die Geschichte, die vor Kurzem mit meinen Bildern im Focus stand, hat auch Christoph geschrieben, mit dem ich zusammen in der Ukraine war. Das ist dann gar kein Problem, denn bei ihm weiß ich, was am Ende unter meinen Bildern steht.

Was genau zeigt die Ausstellung „Polymorphia – War as usual“ in der Registratur?

Sie besteht aus den Bildern der letzten Ukraine-Reise. Am ersten Abend geben Christoph und ich eine Art Reisebericht von unseren Erfahrungen aus der Ukraine und beantworten Publikumsfragen. Generell sind wir immer vor Ort, wenn die Ausstellung offen sind, damit die Leute mit uns reden können. Viele Bilder sind nicht auf den ersten Blick klar, da ist es dann gut, wenn man den Besuchern die Story dazu erzählen kann.

Wie willst du in Zukunft arbeiten?

Früher habe ich mir immer vorgestellt bei einer großen Agentur zu arbeiten, aber das ist es nicht für mich. Ich würde gerne so weitermachen wie jetzt und mir durch andere Jobs meine freien Projekte finanzieren. So habe ich auch nicht den Druck irgendwas zu verkaufen.

Wie stehst du zur Nachbearbeitung von Bildern? Ein Thema, deren Grenzen ja besonders bei dokumentarischer Fotografie wichtig sind, um nicht manipulativ in die Wirkung eines Bildes einzugreifen.

Von Bildmanipulation bin ich echt kein Fan und die Photoshop-Skills habe ich auch nicht dazu. Entweder man lässt die Aufnahme mit allen Details, die die Szenerie hergibt oder man schießt sie eben nicht. Ich komme eigentlich aus dem Bereich analoger Fotografie und stand viel in der Dunkelkammer. So versuche ich auch an digitale Bilder ranzugehen. Bearbeitung also nur in dem Maße, wie ich sie auch per Hand in der Dunkelkammer machen könnte.

Nach welchen Kriterien hast du die Bilder für Polymorphia ausgewählt?

Das übergreifende Thema meiner Bachelor-Arbeit war die Suche nach Normalität. Normalität ist ja etwas, was nicht zu definieren ist, weil jeder etwas anderes als normal empfindet. Deswegen war es auch für mich eine Art Selbstforschung: Ab wann ist es für mich normal im Krieg zu sein? Tatsächlich war es schon am zweiten Tag im Gebiet für mich keine Besonderheit mehr, wenn jemand neben mir geschossen hat. Zu einem bestimmten Grad weiß man ja, was einen erwartet und passt sich dementsprechend an. Für die Menschen dort ist es irgendwann auch normal, dass da eine Rakete im Garten einschlägt. Trotzdem gehen sie raus und hängen ihre Wäsche auf. Das fand ich ziemlich interessant und habe so auch meine Bilder ausgesucht. Ich wollte versuchen alle Aspekte aus dem Krieg zu zeigen, auch wie er ein Stück weit zur Normalität verkommt.

Was nimmst du aus deinen Reisen mit?

Ich war eher am arabischen Raum interessiert als an Osteuropa. In Syrien habe ich so viel Menschlichkeit vor einem Hintergrund krasser Unmenschlichkeit erfahren. In der Ukraine waren die Leute sehr verbittert und verzweifelt, sie leben die Umstände aus, was mich persönlich sehr deprimiert hat. Es gibt zum Beispiel kaum noch Straßenleben, was in Syrien ganz anders war. Tagsüber läuft man aus seinem zerbombten Haus raus, sieht zwar ein paar Rebellen mit einer Kalaschnikow rumstehen, aber sonst sitzen die Leute auf der Straße, reden oder kaufen auf dem Markt ein. Sie versuchen das Beste aus ihrer Situation zu machen und damit irgendwie klarzukommen, was mir wiederum die Motivation gibt, das zu dokumentieren.

Credits: Hannes P. Albert